Das Projekt #freesolo betrachtet das Spannungsfeld zwischen Autokratie und Demokratie, das Gleichgewicht zwischen Aktion und Reaktion, die Balance zwischen lautstarkem Fordern und behutsamen Zuhören. Dafür hinterfragt das Stegreif Orchester das Solokonzert und den klassischen Orchesterapparat auf seine kontrastreichen Führungsformen. Die Improvisation nimmt dabei eine Hauptrolle ein und bildet durch die Entwicklung von individuellen Solo- bis kollaborativen Gruppenimprovisationen das musikalische Mittel dieses Projekts.
Das erste #improcerto widmet sich dabei der musikalischen Epoche des Barock. Dabei erforscht Stegreif, wie dicht das Netz der Improvisation zwischen harmoniebestimmendem Generalbass und virtuoser Kadenz aufgespannt ist. Das beständige Wandern der Melodie in verschiedene Instrumente und Stimmgruppen wird mit der Frage nach Führung und der Rollenverteilung bei einem Solo vernetzt. Nicht zuletzt wird es in allen drei Teilen der Konzertreihe um aktuelle Formen der Improvisation eines Symphonieorchesters gehen, denn sie bilden den Ausgangspunkt für das Projekt #freesolo.
Das zweite #improcerto widmet sich dabei den musikalischen Epochen Klassik und Romantik. Zwischen ausnotierter Formsprache, motivisch-thematischer Entwicklung und dem Aufbrechen der Sonatenhauptsatzform erforscht Stegreif die Freiheiten in der Musik dieser Zeit. Die Werke der am häufigsten gespielten Ära der klassischen Musik werden dabei mit den Mitteln der Improvisation in einen neuen Kontext gesetzt und somit kritisch hinterfragt.
Das dritte #improcerto widmet sich einer Epoche der klassischen Musik, in der die musikalischen Konventionen auf vielerlei Ebenen aufgebrochen werden: dem 20. Jahrhundert. Die Ton- und Lautmalerei des Impressionismus, Aleatorik nach Boulez und Cage, sowie Zwölftontechnik und Mikrotolanität sind dabei nur einige prominente Beispiele für ein umfassendes Um- und Neudenken von Harmonie, Klang, Melodie und Geräusch. An dieser Stelle setzt das #improcerto 3 an und fragt, wie die Improvisation hier ihren Platz findet und dadurch ausgewählte Werke des 20. Jahrhunderts neu kontextualisiert und hinterfragt. Unterschiedliche kammermusikalische Besetzungen sowie Tutti-Passagen wechseln sich mit Solo-Improvisationen ab und versprechen so einen abwechslungsreichen Konzertabend.
Als Composer in Residence entwickelt der Komponist, Pianist und Improvisateur Noam Sivan gemeinsam mit dem Stegreif Orchester ein stilistisches Repertoire, das im Moment entsteht und die aktuelle Musikpraxis hinterfragt.
Bild: Navina Neuschl